Geschichten aus den Stadtteilen
Berchem
Die Nacht vom 12. auf den 13. Januar 1932 war eine Katastrophe für den berühmten deutschen Zirkus Sarrasani. Er hatte in jenen Tagen sein Winterquartier auf dem Militärgelände in Berchem bezogen. Dann brach in den Umkleideräumen ein Feuer aus! Obwohl die Feuerwehr und auch einige Anwohner schnell vor Ort waren, stand bereits alles lichterloh in Flammen. Es war eine kalte Nacht mit starken Windböen. Das hat das Feuer angefacht.
Plötzlich fiel jemandem ein: „Die Tiere!“ Zu spät. Der gemeine Wind hatte bereits Funken bis zum Heu in den Elefantenstall geweht. Funken und Heu, das ist eine hochentzündliche Kombination. Und auch dort ging alles sehr schnell. Zwei Dickhäuter, Princess und Adèle, erlagen leider ihren Verletzungen. Der Gesamtschaden für den Zirkus Sarrasani war enorm: über 4 Millionen belgische Franken.
Berendrecht-Zandvliet-Lillo
Zandvliet. Aus dem Wald an der Grenze zu Berendrecht hoppelte immer wieder ein weißes Kaninchen hervor. Die Menschen jagten das seltsame Tier, sogar in großen Gruppen, aber das Kaninchen konnte immer wieder entwischen. Sie bekamen es nie zu fassen.
Eines schönen Abends gingen die Leute im Wald spazieren und kamen auf die Idee, ein Stück des Waldes umzugraben. Was dann geschah, werden Sie kaum glauben: Plötzlich fand einer der Gräber einen Topf mit Geld. Und seitdem hat niemand mehr das weiße Kaninchen gesehen.
Borgerhout
Es ist ein markanter Name: die Gitschotel in Borgerhout. Um seine Ursprünge zurückzuverfolgen, ziehen wir zum Borsbeekse Poort (Borsbeeker Tor) und zurück in die spanische Zeit in Antwerpen. Dort hielten sich spanische Soldaten in einem Lokal auf. Die Männer hatten ordentlichen Durst, hielten aber nicht so viel vom Bezahlen. Darin waren sie weniger gut.
Bis es der Chefin des Lokals zu viel wurde. Sie eilte nach oben, goss Wasser in eine Schüssel und leerte diese über ihren Köpfen aus. Woraufhin die Spanier – Niederländisch war nicht ihre Stärke – riefen: „Jij lelijke gietschotel.“ (Wortwörtlich: Du hässliche Gießschüssel) Der Name „Gitschotel“ war geboren. So die Geschichte.
Deurne
Jan Olieslagers (1883–1942) war auch als der „Teufel von Antwerpen“ bekannt. Ihre Anfänge hatte seine Karriere noch in der Fahrradindustrie, aber schon mit 17 Jahren verkaufte Jan Motorräder und stellte einen Geschwindigkeitsweltrekord auf: Bei einem Motorradrennen erreichte er 80 Stundenkilometer. Zu der Zeit erhielt Olieslagers seinen teuflischen Spitznamen. Später soll er der Erste gewesen sein, der die 100-km/h-Marke überschritt.
Ab 1909 hatte Olieslagers es auf die noch junge Luftfahrt abgesehen und wurde Pilot in Frankreich, erneut mit vielen Shows und neuen Rekorden. Olieslagers wurden berühmt und reich. Es gibt ein eher düsteres Lied über ihn aus dieser Zeit. Der Text lautet: „Wenn Olieslagers tot umfällt, kaufen wir eine Schere. / Und schneiden die Schwalbenschwänze von seinem Frack. / Wenn Olieslagers tot umfällt, bekommen wir vielleicht / die Hälfte seines Geldes und auch sein Flugzeug. / Olieslagers, Olieslagers, Olieslagers fall ruhig tot um.“
Im Ersten Weltkrieg unternahm Jan Olieslagers Hunderte von gefährlichen Flügen und nahm an Dutzenden Luftkämpfen teil. Einer seiner Verdienste ist, dass nach dem Krieg der Flughafen in Deurne gebaut wurde (1923). Der viel gelobte Veteran Olieslagers starb 1942, mitten im Krieg. Geflogen und Rennen gefahren ist er da schon eine Weile nicht mehr.
Ekeren
Es war jedes Mal spannend, wer im Mai von Ekeren zur Kirmes von Wilmarsdonk reiste. Würde das Licht mitten im Gras unterwegs irgendwo zu sehen sein? Und würde dieses Licht verschwinden, wenn man das Kreuzzeichen schlug? Das Licht war nichts, vor dem man sich fürchten musste, aber schon sehr merkwürdig. Ein kleines Licht im Gras, das immer vor Mitternacht aufleuchtete. Wie ein Feuergeist. Und wenn man nachts zurückkam, war das Licht verschwunden.
Was war das für ein Licht? Es heißt, dass das Licht der Geist eines Kindes sei, das gestorben war, bevor es getauft werden konnte. So eine ungetaufte Babyseele verweilt ruhelos. Wie ein Licht im Gras.
Hoboken
Nello war ein armer Waisenjunge. Er wohnte in einem Bauerndorf am Rande von Antwerpen. Jeden Tag brachten er und sein Großvater, der noch unter Napoleon gekämpft hatte, Milch zu den Bürgern in der großen Stadt. Eines Tages fanden Sie auf der Straße einen verlassenen, misshandelten Zughund: Patrasche. Sie nahmen ihn mit. Nello und Patrasche wurden eine immer größere Hilfe für den Großvater, der nicht mehr der Jüngste war.
Nello war überglücklich: Er übernahm quasi den Milchhandel, liebte seinen Hund über alles und auch die Müllerstochter in seiner Nachbarschaft. Und er konnte sehr gut zeichnen … Immer, wenn er die Kathedrale von Antwerpen besuchte, stand er voller Bewunderung vor den Gemälden von Rubens. Es gab nur ein Problem: Einige der Gemälde durfte man erst nach Bezahlung ansehen. Und der arme Nello konnte nicht bezahlen. Auch Rubens selbst hätte das doch nie gewollt?! Also nahm Nello an einem Malwettbewerb teil, um sein Talent unter Beweis zu stellen.
Aber das Schicksal wandte sich gegen ihn. Der Müller wollte nicht, dass seine Tochter mit Nello befreundet ist, und er gab Nello die Schuld, als seine Mühle abbrannte. Nellos Großvater starb. Die Umstände führten dazu, dass Nello keine Milch mehr verkaufen konnte und auf der Straße landete. Den Malwettbewerb gewann er auch nicht. Es wurde alles zu viel für Nello. Am Weihnachtsabend brach er erschöpft zusammen. In der Kathedrale von Antwerpen, mit Patrasche in seinen Armen.
Nello konnte noch kurz erkennen, wie das Mondlicht ein Gemälde beleuchtete, das er nie sehen durfte – es war die berühmte Kreuzabnahme von Rubens – und starb.
(Nach Ouida, Pseudonym von Marie Louise de la Ramée, A Dog of Flanders, 1872)
Merksem
Herman Wijns (1931-1941) war kaum zehn Jahre alt, als er starb, und doch lebt er weiter. Dieser katholische Metzgerssohn aus Merksem war Messdiener, wollte Priester werden, und hat in den Krisenjahren ab 1930 wunderliche Dinge vollbracht und gesagt. Aber vor allem strahlte Hermanneke etwas aus, das man nur schwer benennen kann und was man einfach glauben muss.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass dem Vatikan ein Antrag zur Seligsprechung von Hermanneke vorliegt (und dass dem Jungen eine eigene Website gewidmet ist). Bis heute werden Messen für ihn gelesen und Menschen kommen an sein Grab in der Van Heybeeckstraat, um zu beten – häufig mit der Bitte um Heilung. Die vielen Dankesbotschaften an seinem Grab zeugen davon.
Wilrijk
Seit 1965 zieht alle fünf Jahre die Geitenstoet (Ziegenparade) durch die Straßen von Wilrijk. Es ist ein spielerischer Umzug über die Geschichte der Gemeinde. Dabei erfährt man auch, warum die Wilrijker „Ziegenköpfe“ genannt werden.
Das ist wie folgt: Wilrijk war eine Gemeinde, in der viele arme Arbeiter in kleinen Häusern wohnten. Um ein wenig Fleisch und Milch zu Hause zu haben – das war oft eine Frage des Überlebens – hielten sich viele von ihnen eine Ziege, die sogenannte „Kuh des armen Mannes“. Die ganzen Ziegenbesitzer wurden oft bemitleidet und verspottet. Als 1895 die katholische Partei die Liberalen nach einem erbitterten Wahlkampf besiegte, fiel den Verlierern nichts Besseres ein, als ihre eigenen Wilrijker „Ziegenköpfe“ zu nennen. Sie hätten sie halt wählen sollen, die Dummköpfe. Ein neuer Spottname war geboren.